Die Lorenzkapelle zählt zu den stillen, oft übersehenen Orten in Rottweil, die bei genauerem Hinsehen eine außergewöhnliche historische Tiefe offenbaren. Sie liegt im Bereich des Bockshofs, leicht erhöht über dem Neckartal, und gehört zu den ältesten erhaltenen Sakralbauten der Stadt. Ursprünglich als Friedhofskapelle errichtet, spiegelt sie mehrere Jahrhunderte Stadt-, Kunst- und Religionsgeschichte wider und bildet heute einen wichtigen kulturellen Baustein im historischen Gefüge Rottweils.
Errichtet wurde die Kapelle um 1580, in einer Zeit, in der die spätgotische Bauweise bewusst wieder aufgegriffen wurde. Die Weihe erfolgte 1584 zu Ehren des heiligen Laurentius. Charakteristisch für den Bau sind die schlichte äußere Erscheinung, das steile Dach, die klar gegliederten Wandflächen sowie die gotisch geprägten Fensterformen. Die Architektur wirkt zurückhaltend, fast nüchtern, und gerade darin liegt ihre besondere Wirkung. Sie steht exemplarisch für eine Übergangszeit zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, in der traditionelle Formen weitergeführt wurden, ohne übermäßigen repräsentativen Anspruch.
Die Lorenzkapelle war eng mit dem „Alten Gottesacker“ verbunden, dem früheren Friedhof der Heilig-Kreuz-Pfarrgemeinde. Über viele Jahrzehnte diente sie als Ort für Begräbnisse, Totengedenken und liturgische Feiern. Während des Dreißigjährigen Krieges erlitt das Gebäude schwere Schäden, wurde jedoch später wieder instand gesetzt. Mit der Verlegung des Friedhofs im Jahr 1832 verlor die Kapelle ihre ursprüngliche Funktion und blieb lange Zeit ohne feste Nutzung, was paradoxerweise zu ihrem Erhalt beitrug.
Heute ist die Lorenzkapelle ein Kunst- und Ausstellungsort von besonderem Rang. In enger Verbindung mit dem Dominikanermuseum beherbergt sie eine hochwertige Sammlung mittelalterlicher Steinskulpturen, Reliefs und architektonischer Fragmente, die überwiegend aus dem 14. Jahrhundert stammen. Diese Werke werden dem sogenannten Rottweiler Stil zugerechnet und zeigen eindrucksvoll die kunsthandwerkliche Qualität der damaligen Zeit. Figuren, Brunnensäulen und Fragmente erzählen von der religiösen Bildsprache, vom Selbstverständnis der Stadt und von der engen Verbindung zwischen Handwerk, Glauben und öffentlichem Raum.
Der Innenraum der Kapelle wirkt ruhig und konzentriert. Die Präsentation der Kunstwerke ist bewusst zurückhaltend gehalten, sodass Architektur und Exponate miteinander wirken können. Licht, Raum und Material schaffen eine Atmosphäre, die sich deutlich von klassischen Museumsräumen unterscheidet und den ursprünglichen sakralen Charakter des Ortes respektiert.
Die Lage der Lorenzkapelle macht sie zudem zu einem besonderen Stadtraum-Erlebnis. Eingebettet in die historische Umgebung des Bockshofs, nahe der ehemaligen Stadtbefestigung, öffnet sich von hier aus der Blick über das Neckartal. Der Ort verbindet Natur, Geschichte und Kunst auf stille Weise und eignet sich ideal für einen kurzen Zwischenstopp bei einem Rundgang durch die Stadt.
Adresse: Lorenzgasse 17, 78628 Rottweil
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